Etappe Malko Tarnovo – Pinarhisar (Teil 3)

Liebe Leser, zuerst muss ich euch gestehen, dass ich bereits seit einigen Tagen wieder in Deutschland bin. Der Blog hängt im Moment drei Wochen hinterher, was ich natürlich damit rechtfertige, dass ich mich erst einmal wieder ins „normale Leben“ zurückfinden muss. Ist gar nicht so einfach. Dazu später mehr. Heute erzähle ich euch, wie es denn nun mit meinem ersten Tag in der Türkei zuende ging.

Die letzten Kilometer waren ziemlich leicht. Ging es bislang auf schlechten Straßen fast nur nach oben, setzte jetzt das Gegenteil ein. Auf sehr schönen Wegen abwärts. Dabei konnte ich auch das erste Mal die türkischen Fahrkünste bewundern. Von muslimischer Zurückhaltung merkt man da nämlich nichts. Wie in jedem osteuropäischen Land wird Autofahren wohl als dringend zu erledigendes Übel angesehen. Nur die Fahrer sind nicht so verbissen bei der Sache. Hier wird gehupt, was das Zeug hält. Was mich an diesem Abend kaum störte (ich fand es sogar recht cool – weil die Türken sich offensichtlich über mich freuten), sollte sich mittelfristig als Problem herausstellen.

Aber was sind die paar restlichen Kilometer, wenn man einen ganzen Tag in sengender Hitze verbracht hat und so beschloss ich keine Experimente mehr zu wagen. Sobald ich in dem Städtchen mit dem Geldautomaten angekommen wäre, so schwor ich mir, würde ich auf Hotel- und Nahrungssuche gehen und ab ins Bett.

Als ich nach Pinarhisar einfuhr, war ich ziemlich beeindruckt. Jetzt wusste ich endlich, was die Redewendung türkischer Basar bedeutet. Pinarhisar ist nicht sonderlich groß, aber die Hauptstraße ist eine einzige lange Geschäftsfront. Die verführerischsten Läden reihen sich hier aneinander. Futter, Futter, Supermarkt, Bank, Futter, Bank, Bank, Supermarkt… so geht es auf beiden Straßenseiten über 3 Kilometer. Geldautomaten gab es genügend und so konnte ich in einen Supermarkt das Preisniveau erkunden. Schnell stellte ich fest, ist alles gar nicht so teuer in der Türkei. Hatte ich anders erwartet. Ich deckte mich mit Keksen, Getränken und Zigaretten ein und setzte mich auf die Eingangsstufen des Marktes für ein kleines Abendbrot. Jetzt kommt die türkische Neugier: Denn kaum hatte ich 2 Minuten gesessen, war ich von einer Horde Kids umzingelt, die mein Rad interessant fanden. Es folgten viele Fragen auf türkisch, die ich aber leider nicht beantworten konnte. Das hielt die Kinder aber nicht davon ab, vehement weiter zu fragen und somit war ich dieses Mal an der Reihe mit permanentem Schulterzucken.

Plötzlich schlenderte ein älterer Mann um die Ecke, betrachtete mich neugierig und fragte mich, ob ich aus Deutschland komme? Ich war erstaunt und bejahte. Er erzählte mir, dass er 30 Jahre in einer Zeche im Ruhrgebiet gearbeitet hat und nun, da er Rente bekommt, zurück in die alte Heimat wollte. Die Kids erkannten sofort die Möglichkeiten, ihre Fragen loszuwerden und so übersetzte mein Gesprächspartner fleißig. Natürlich wollten sie wissen, wo ich herkomme, wo ich hinfahre und, was in der Türkei scheinbar ganz wichtig ist, wie viel mein Rad gekostet hat. (Eine Frage, die ich im Laufe meines Türkeiaufenthaltes noch sehr oft gehört, aber nie ehrlich beantwortet habe.) Als die Neugier meiner kleinen Fans gestillt war, waren auch alle Fragen meines Gesprächspartners beantwortet und so verabschiedeten wir uns sehr herzlich und ich machte mich auf die Suche nach einem Hotel.

Da Pinarhisar direkt an einer viel genutzten Transitstrecke von Bulgarien nach Istanbul liegt, war die Suche nicht sonderlich schwierig. Ich fand kaum 100 Meter hinter dem Supermarkt ein sehr hübsches Hotel, was weniger als 17€ für die Nacht (inklusive Frühstück) sensationell günstig war. Der Hotelier sprach ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch und so fanden wir auch schnell einen sicheren Platz für mein Rad und ich bezog mein Zimmer, duschte und war nun bereit für die Jagd nach etwas Essbarem. Also ging ich wieder zu meinem Gastgeber und bat ihn um eine Empfehlung. Nur 200 Meter die Straße runter ist ein Kebab – allerbeste Qualität, versprach er. Allerdings hatte der schon nix mehr auf dem Spieß. Als ich wieder am Hotel vorbeikam, sah der Besitzer mich und fragte mit einem verwunderten Blick, ob ich den Laden nicht gefunden hätte? Ich erklärte ihm die Lage und er wusste sofort eine Alternative. Aber um zu verhindern, dass mir dieses Unglück des umsonst gelaufenen Weges noch einmal passierte, rief er vorerst in dem Restaurant an. Essen? Klar, haben wir – schicke ihn vorbei Deinen Deutschen! Da es aber scheinbar zu kompliziert war, mir den Weg – der fast 70 Meter lang war – zu erklären, nahm mich der Herr schnell mal an die Hand (nicht sprichwörtlich), und brachte mich persönlich zur nächsten Kreuzung und zeigte mir die Richtung.

Dummerweise hieß das Restaurant genauso, wie eine kleine Teestube gegenüber und wenn es eine 50 prozentige Möglichkeit gibt, etwas falsch zu machen… na ja, ihr kennt mich ja. So landete ich jedenfalls erst einmal in der Teestube und war verwundert, was mir der Hotelier da empfohlen hat. Es gab hier Tee, Gebäck, Kaffee aber nichts Handfestes zu essen. Da ich bei solchen Gelegenheiten gern unterbewusst meinen fragenden Gesichtsausdruck aufsetze, fragte mich ein junger Mann vor der Teestube nach Herkunft, Ziel und meinem Problem. Nachdem ich alles erklärt hatte, wurde meine Hand wieder genommen und ich wurde auf die andere Straßenseite gebracht. Der Teetrinker war offensichtlich ziemlich stolz darauf, einen Ahnungslosen eingefangen zu haben und erzählte dem Wirt meine Geschichte. Als noch ein weiterer Mann dazu stieß, wurde es eine sehr lustige Runde, bis auf das Problem, dass ich immer noch nichts zu essen hatte. Aber ein weiterer Gast konnte auch dieses Problem lösen. Er stellte sich als ein Deutschtürke vor, der mir zuerst genau die Speisen erklärte und auch mit Empfehlungen nicht hinter dem Berg hielt. Ruckzuck wurde das bestellt, was er für das beste hielt und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Kochen, so viel weiß ich jetzt genau, können die Türken ganz wunderbar. Nachdem ich satt und zufrieden noch mit meinem Betreuer plauschte, sprang der plötzlich auf und fragte: Chai? Na gut, scheinbar eine Art Ritual, also her mit dem Zeug.

Für alle, die demnächst mal eine Tour in die Türkei planen: Chai lehnt man für gewöhnlich nicht ab. So drücken die Türken ihre Gastfreundschaft aus. Und sie zelebrieren den Genuss von Tee. Er ist nicht sonderlich stark und wird gern mit viel Zucker getrunken. Lehnt man die Einladung ab, sind die Türken zwar nicht beleidigt, freuen sich aber aufrichtig über jeden, der mit ihnen trinkt. Chai ist darüber hinaus eine herrliche Möglichkeit mit Türken ins Gespräch zu kommen. Deswegen durchflossen bis zu meiner Ausreise noch viele Liter Chai meine Speiseröhre. Das, so war ich mir sicher, war der perfekte Ort für einen Ruhetag. So beschloss ich, gleich am nächsten Morgen mein Zimmer zu verlängern. Warum es aber nicht dazu kam, erzähle ich euch. Später.