Nach einer Woche Urlaub vom Urlaub ging es heute endlich weiter. Ich muss zugeben, dass ich die fahrfreie Zeit voll ausgenutzt und das Rad überhaupt nicht angeguckt habe. Aber es half nix. Mutti musste nach Hause und ich hatte auch viel von dieser echt schönen Stadt gesehen. Da ich mich bislang noch in keinem Land länger als 8 Tage aufgehalten hatte, wurde es auch höchste Zeit, wieder auf die Straße zurückzukehren. Denn das hatte ich schon in Ungarn und Serbien gemerkt. Nach einer Woche will man dann schon mal wieder etwas anderes sehen.
Der ursprüngliche Plan war, von Sofia über Mazedonien nach Griechenland zu radeln. Aber was sind Pläne schon wert? Ich war noch nie am schwarzen Meer, also das musste jetzt mal sein. Am Dienstag bei meiner Ankunft an der Ferienwohnung habe ich einen Motorradfahrer getroffen, der mir sehr eindringlich empfohlen hat, auf keinen Fall die zweitgrößte Stadt des Landes Plovdiv auszulassen. Also schraubte ich mir eine Route zusammen, die mich über Plovdiv im Süden Bulgariens nach Burcas im Südosten ans schwarze Meer bringen sollte. Plovdiv war mit knapp 160 Kilometer zu weit für eine einzelne Etappe, also war das heutige Ziel Pazardžik. Laut Karte sollte ich nun auch die Hochebene verlassen, was natürlich viele Bergabfahrten bedeute.
Allerdings galt es nun auch erst einmal aus Sofia herauszufinden. Ihr kennt mein Orientierungsproblem in Großstädten ja inzwischen genauso gut wie ich. Alles blinkt, tausende Menschen und Autos, das überfordert mich gelegentlich ein bisschen. So brauchte ich auch über 1,5 Stunden, um den Weg aus der Stadt zu realisieren und landete dann natürlich – auf der Autobahn. Und das war gemein, wollte ich die doch ganz sicher nicht benutzen. Ich hatte einfach die entsprechende Ausfahrt verpasst und als die Straße plötzlich von einer vollen Hauptverkehrsstraße zur Autobahn mutierte, gab es keine Ankündigung. Ich habe später erfahren, dass das auch hier nicht erlaubt ist und die Polizei in solchen Fällen relativ hart durchgreift. Die beiden Polizeistreifen, an denen ich vorbeifuhr, hat es aber offensichtlich nicht gestört. Zu ihrer Verteidigung muss ich aber auch zugeben, dass es ganz schön warm war und die Klimaanlage außerhalb des Polizeiautos nur mittelmäßig funktioniert.
Obwohl die Autobahn gut ausgebaut, der Verkehr überschaubar und die Steigungen fahrbar sind, fühlte ich mich trotzdem nicht sonderlich wohl. Zum einen, weil es bis auf ein paar Tankstellen kaum Möglichkeiten gibt, den bei der Wärme entstehenden Flüssigkeitsverlust auszugleichen und zum anderen: du siehst einfach nix. Keine Dörfer oder Städte, immer nur Autos, LKW und Busse. Ist ein bisschen langweilig. Also verließ ich bei der Anschlussstelle Vakarel die A1 und kehrte auf die Hauptstraße 8 zurück. Die Straße wurde zwar nun etwas anstrengender zu fahren, aber wenigstens gab es einiges zu sehen. Unter anderem traf ich in der kleinen Stadt Ihtirman auf ein scheinbar herrenloses, seelenruhig am Straßenrand stehendes Pferd, dass genüsslich das bisschen Grün vom Seitenstreifen knabberte. Als ich gerade den Fotoapparat in Position brachte, kam ein Fuhrwerk mit zwei Roma an mir vorbei, der eine grüßte, der andere grinste und meinte, ja, so ist Ihtirman. Sehr lustige Gesellen und die ersten Bulgaren außerhalb Sofias, die auch mal unaufgefordert mit mir gesprochen haben.
Aus dem Tankstellenpersonal bekommt man hier nur selten ein Wort heraus, was aber definitiv an mir liegt, denn mit bulgarischen Kunden unterhalten sie sich durchaus angeregt.
Streckenmäßig wurde es ab hier dann wirklich besser. Ab jetzt ging es nämlich größtenteils entlang des Flusses Marica abwärts, durch ein echt schönes Gebirge. Solche Täler sind meistens großartig, sie strotzen nur so von Grün.
So auch hier, zumindest bis ich nach Belovo kam. Ab hier ging es nur noch seicht abwärts, die Bebauungsdichte wurde größer, der Fluß industriell genutzt. Somit verschwanden Bäume und eh ich mich versah, spuckte mich das Gebirge in eine ausgedehnte Hügellandschaft. Rechts waren die Rodopen zu sehen, links irgendwelche verschleierten Berge. Über fast 40 Kilometer ging es nur noch bergab, so dass ich kaum treten musste und somit viel Zeit zum Gucken hatte. Allerdings gibt es nix zu gucken…
Die Landwirtschaft wird nämlich intensiver und so blickt man hauptsächlich auf Sonnenblumen- und Maisfelder. Dazu nahm der Verkehr hier stark zu, so dass man irgendwann über eine Schneise durch die Felder fährt. Ehrlich gesagt, da waren mir die Schiebepassagen in den Bergen lieber…
Also ich will wirklich nicht meckern, denn die Straßen sind wirklich gut. Aber eben zu wenige. Und die paar, die da sind, werden sehr intensiv genutzt. Alternativrouten über Dörfer gibt es kaum. Denn die meisten Straßen, die zu den Dörfern links und rechts entlang der Hauptstraße führen, sind Sackgassen. Drei Abstecher in kleinere Dörfer hab ich allerdings doch unternommen und dabei zwei tote Dörfer (also ohne menschliche Bewohner) und ein zumindest fast verlassenes Dorf mit vier Häusern vorgefunden. Hier ist die Stadtflucht offensichtlich viel weiter fortgeschritten als bei uns.
Die Tour soll Spaß machen! Aber so macht sie überhaupt keinen Spaß.
So schmiedete ich in Pazardžik auch einen Plan, von dem ich euch beim nächsten Mal erzähle. In der Familie hat es für ganz schön heftige Diskussionen gesorgt…