Trotz des Ärgers über den Campingplatz von letzter Nacht ist meine Meinung gegenüber den Serben ungebrochen gut. Schwarze Schafe gibt es schließlich überall und 99,99 Prozent der Serben, die ich getroffen habe, waren großartig. Und so sollte auch der Grenzübertritt wieder eine lustige Angelegenheit werden.
Obwohl die Straße gestern Abend extrem voll war und gerade türkische LKW-Fahrer scheinbar die Nähe zu mir suchten, war es heute morgen erstaunlich leer und so bewältigte ich die restlichen 15 Kilometer bis zur Grenze auch fast in einem Rutsch. Nur ein kurzer Zwischenstop in Dimitrovgrad war eingeplant, um meine restlichen Dinar loszuwerden, indem ich meine Vorräte auffüllte. Die Straße stieg zwar permanent an, aber das wusste ich ja inzwischen. Wo es hoch geht, geht es auch wieder bergab. So zumindest meine Erfahrung – bis jetzt. Als ich an der Grenze ankam, musste ich mich an einer schier unendlichen langen Schlange an Lastern vorbeidrängeln, denn deren Übergang war offiziell noch gesperrt. Daher also die Ruhe auf der Straße.
Autos und auch Fahrräder durften allerdings passieren und so stellte ich mich hinter einigen Autos in die Schlange. Da es nur sehr schleppend voran ging, nutzen 3 Belgier auf dem Weg nach Süden die Zeit für einen kleinen Plausch mit mir. Sehr verwegen aussehende Typen, die auch gleich die Aufmerksamkeit der Zöllner auf sich zogen. Da ich gerade so angeregt mit ihnen gequasselt hatte, kam einer der Herren auch zu mir und verlangte nach meinem Pass. Er sah mir ernst in die Augen und fragte, ob ich im Besitz von Marihuana wäre? Ich verneinte entsetzt! Noch nie in meinem Leben habe ich Drogen genommen. Er bekam einen flehenden Gesichtsausdruck. Zwei Gramm würden ihm reichen… Ah, daher wehte der Wind… Nee, ich habe selber nix. Ich kann leider nichts für Sie tun. Er grinste und schickte mich vor zur Passkontrolle. Das belgische Auto haben sie allerdings genauer unter die Lupe genommen. Ja, auch die Serben sind nicht frei von Vorurteilen.
Der bulgarische Zöllner war jedoch ’ne ganz andere Nummer. Er patzte mich direkt an. Da ich sein Englisch auf Grund seines Akzentes jedoch nicht gleich verstand, entschied ich mich mal wieder für die blöd-gucken-Strategie, was mir allerdings nur einen Ey, sprichst Du kein Englisch? Anranzer einbrachte. Doch, und zwar genauso schlecht wie du, dachte ich und konnte mir überhaupt nicht erklären, warum wir solche Sprachprobleme hatten. Er winkte mich ziemlich genervt weiter. Mir war es egal. Nur noch 55 Kilometer bis Sofia, lass den Grenzer doch bocken.
Sofia, liebe Freunde, liegt übrigens auf einem Hochplateau. In etwa 450 Metern Höhe. Um allerdings auf 450 Meter zu kommen, muss man erst einmal einen ziemlich gewaltigen Bergkamm überqueren, der einen bis auf fast 1000 Höhenmeter führt. Und das ziemlich steil. Soviel also zu Wo es hochgeht, geht es auch wieder runter. Bulgarien hat allerdings nur drei verschiedene Höhenarten: Hoch, noch höher und schwarzes Meer. So war ich leider wieder auf einige Schiebereien angewiesen, denn fahrbar war die Straße nicht. Aber okay, was solls, ich bin es ja inzwischen gewohnt. Jetzt hieß es eh erstmal mit bulgarischem Geld eindecken und das Kostenniveau testen. Also war mein erster Stop die Stadt Dragoman, 23 Kilometer hinter der Grenze.
Und hier bekam ich was vor meine Kultur-Stirn. Denn es schien tatsächlich alles noch ärmer als in Serbien. Sobald man die gut ausgebaute E80 verlassen hat, sind Straßen nur noch andeutungsweise vorhanden. Die Häuser waren in einem miesen Zustand und Menschen kaum zu sehen. Einen Geldautomaten konnte ich nicht ausfindig machen. Also weiter und zwar schnellstens. Ich hatte doch nie gehört, dass Bulgarien ein derart bitterarmes Land ist. Der nächste Ort war schon wesentlich schöner. Nicht toll, aber wenigstens nicht ganz so heruntergekommen wie Dragoman und ich fand sogar einen Geldautomaten. Je weiter man in Richtung Sofia kommt, desto besser wird es. Jetzt gab es wieder Bäume und die Straße war jetzt vierspurig mit Standstreifen. Gut so, denn in der Zwischenzeit hatte irgendwer den Stöpsel an der Grenze gezogen und die brummende Schwerlastherde losgelassen, die nun in extrem großer Menge an mir vorbeiströmte.
Dabei waren die noch gar nicht einmal so problematisch wie eine andere Verkehrsteilnehmergruppen. Deutsche, vorwiegend aus dem Ruhegebiet und Berlin in 3er und 5er BMW, die scheinbar auf Weg zu Besüsch bei Fwandschaft waren. Liebe Landsleute mit türkischen Wurzeln: Ey Digga! Is nüsch eure alleinige Straße! Ich hab alle eure Nummernschilder und scheiß euch an, wenn ich wieder zu Hause bin.
Mal im Ernst. Sorry, aber ihr fahrt echt wie die Henker und das, obwohl der Bulgare an sich ein sehr vernünftiger Autofahrer ist. Kein Grund, ständig gefährlich in den Gegenverkehr zu fahren. Und liebe Bulgaren, hier hätte ich mir echt mehr Polizeipräsenz gewünscht. Der erste Teil bis Slivnica ist für Radler die Hölle. Erst danach wird es besser.
In Sofia angekommen, hatte ich wieder mein übliches Großstadtproblem. Da meine Mutter erst am nächsten Tag ankommen würde, war ich für diese Nacht noch einmal auf einen Campingplatz angewiesen, den es auch in Sofia geben sollte. Google hatte nämlich ganz schön viele Ergebnisse parat. Wie der Campingplatz heißt und wie teuer er ist und wie die Qualität ist… das alles wusste ich bereits. Nur nicht, wo er war. Erst durch viel Gesuche fand ich endlich die Geokoordinaten und ließ mich dann vom Navi hinführen. Sollte jemand ebenfalls da hinwollen, ich bin auf diesen Artikel gestoßen:
DER CAMPINGPLATZ IN SOFIA IST DIREKT AN DER E80 – FAHRTRICHTUNG PLOVDIV. IM SÜDOSTEN SOFIAS. IHR MÜSST DURCH DIE GANZE STADT!!!
Das musste mal gesagt werden…
Lustig war die Preisliste:
Stellplatz Zelt: 15 Lev
Hütte: 25 Lev
Dusche und Fahrradaufbewahrung in einer Hütte (die dann natürlich nicht mehr zu vermieten ist) 25 Lev.
Ratet, wofür ich mich entschieden habe. Logisch, ich habe die Hütte genommen.
Mein Tipp an alle, die hier übernachten wollen: nehmt euren eigenen Schlafsack als Bettbezug. 🙂
So, morgen kommt Mutti mit wertvoller Fracht.