Etappe Petrovac-Brestovačka

Und es gibt sie doch! Lange habe ich darauf warten müssen, aber heute sind zwei Dinge eingetroffen, die mir das erste Mal wirkliche Probleme bereiteten. Ach ja, und noch eines, das auch nicht ganz ohne war….

Aber schön der Reihe nach. Da ich heute das erste Mal wieder in einem Hotel geschlafen habe, gab es zwei erfreuliche Dinge. 1. kein lästiges und zeitaufwendiges Zelt abbauen und Rad packen, 2. Kaffee. (Übrigens ein absoluter Geheimtipp in Serbien. Ich habe nur einmal schlechten Kaffee bekommen und den in einer Tankstelle. Die anderen waren absolut hervorragend!)

Bett-Hotel

Da ich nach dem gar königlichen Mahl gestern Abend völlig erledigt bereits um 22 Uhr im Bett lag, war ich natürlich auch dementsprechend früh wieder munter. Da ich aber weiß, dass ich es vor halb 9 eh nicht auf die Straße schaffe, hab ich den Tag bewusst langsam angehen lassen. Ich schaute auch noch gleich nach meiner Kette, denn diese bereitete mir seit der Donauschlammschlacht wieder unterhaltsame Kilometer. Ja, eigentlich wäre es jetzt wirklich mal an der Zeit, das Ding zu wechseln. Immerhin hatte sie bereits über 2.000 Kilometer in den Gliedern, war ziemlich von mir malträtiert worden und seitdem ständig nass und trocken gelaufen. Trotz ein paar Tropfen Öls machte sie inzwischen richtigen Krach und das eine oder andere Glied hatte absolut keinen Bock mehr, sich von seinem Nachfolger abzuknicken. Andersrum, wenn sie reißt, dann reißt sie eben. Ich habe ja Ersatz dabei. Also weiter machen mit nix machen…

Noch einen Kaffee und dann los. Hier hatte ich gestern Abend alles richtig gemacht. Denn mein Hotel lag genau am Fuße eines gewaltigen Bergmassives und so konnte ich ausgeruht in die neue Etappe starten. Das nächste Dorf lag knapp 25 Kilometer entfernt und laut Karte war bis dahin auch mit amtlichen Anstiegen zu rechnen. Während die ersten 4 oder 5 Kilometer noch richtig gut liefen, änderte sich plötzlich alles. Denn ich merkte recht schnell, Serbien hat doch ein Problem. Und zwar eines mit scharfen Zähnen. Überall lungern wilde Hunde rum. Während sich die meisten mit ignorieren und vielleicht mal bellen beschäftigten, geriet ich plötzlich an ein paar andere Exemplare. Die waren auf irgendwas stocksauer und wollten es irgendwie an mir auslassen. Nur mit Mühe und Not konnte ich den Viechern entkommen. Es mag an der krachenden Kette gelegen haben, dass sie so aggressiv waren.

Glücklicherweise löste sich mein Ketten-Problem nach weiteren 4 Kilometern von selbst. Ich hatte eigentlich erwartet, dass es diese Kette wie alle anderen machen würde: reißen und gut. Diese aber nicht. Ein Teil des Gliedes spaltete sich ab und riss den gesamten Umwerfer aus seiner Position. Dabei verklemmte sich die restliche Kette in den Leitblechen des Teiles. Einerseits dankte ich der Kette, dass sie mit dem Aufgeben ihrer Funktion noch gewartet hatte, bis ich aus dem Gefahrenbereich der Köter gekommen war, anderseits hätte sie sich ja nun auch nicht mit einem solchen Knall verabschieden müssen.

Fahrradkette

Denn um mit Bordmittel an den verklemmten Umwerfer zu kommen, musste das Schutzblech erst weichen. Das wiederum bedeutete, Hinterrad raus, was aber erst ging, wenn ich das Rad komplett abgepackt und auf den Kopf gestellt hatte. So viel zum Thema Zeitersparnis beim Hotel. Da dies natürlich genau in einer Serpentine passierte, hatte ich Bedenken, direkt hier zu reparieren, aber was blieb mir übrig? 300 Meter im Voraus war zwar ein Haus, aber wer sagte mir, dass die einzigen Bewohner nicht wieder bloß hungrige Hunde waren? Das Risiko schien mir zu groß. Also musste ich das Ding hier und jetzt in Ordnung bringen. Meine erste Reparatur auf der Tour und die unter diesen Bedingungen…

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich mächtig stolz auf mich war, als das Rad nach 45 Minuten wieder funktionstüchtig war. Nur den Umwerfer habe ich nicht mehr zum arbeiten bekommen, aber da ich vorne eh nur auf dem zweiten Zahnkranz fahre, konnte das auch noch warten, denn nun ging es weiter in das nur noch wenige Kilometer entfernte nächste Dorf. Hier besorgte ich mir erst einmal ein ordentliches Frühstück mit leckeren Strudeln, die ich mir aber irgendwie größer vorgestellt habe.

Strudl

Innerhalb der ersten Fahrstunde zwei richtige Probleme, viel schlimmer konnte der Tag ja nun nicht mehr werden und so machte ich mich auf, die restlichen fast lächerlich anmutenden 45 Kilometer zum nächsten Campingplatz auch noch hinter mich zu bringen. Aber… schlimmer geht immer. Denn jetzt war das Rad zwar wieder fahrtauglich und ich gestärkt, aber der Anstieg wurde richtig heftig. Fahren ging hier einfach nicht mehr. Vielleicht in einem ganz kleinen Gang, aber dieser Option hatte ich mich mit meiner Schlamperei selbst beraubt. Also war schieben angesagt und das über einen sehr langen Zeitraum. Bis auf ein paar kleineren Bergabpassagen, die fahrbar waren, schob ich mein Rad ganze 18 Kilometer! Obwohl mir die optimistische Stimme in mir immer wieder sagte, eine Kurve noch, dann geht es wieder bergab. Schnauze Stimme! Es ging nur höher und höher und so überschritt ich das erste Mal auf dieser Reise die 1000 Höhenmeter.

Anstieg-Berg
Anstieg-Berg-2

Herrn Messner werde ich jetzt auch nie wieder so belächeln können, wie noch vor ein paar Wochen. Waren es bis auf 600 Meter noch weit über 30 Grad, änderte sich ab hier das Wetter plötzlich und ich stand mitten in einem Gewitter. Ich hab keine Angst vor Blitz und Donner, aber hier wurde mir diese Naturgewalt mal wieder richtig bewusst. Denn wenn du genau in dem stehst, was 700 bis 800 Meter unter dir gewaltigen Schaden verursacht, wirst du dir der Unbedeutendheit deiner Person erst richtig klar. Das hier war erschreckend und überwältigend zugleich und genau auf dem Gipfel (der Straße, nicht des Berges wohlgemerkt) wurde es richtig ungemütlich. Jetzt hieß es, keine Zeit verschwenden. Rauf aufs Rad und Volldampf ins Tal.

Gewitter-Berg-2
Gewitter-Berg

Die folgenden knapp 20 Kilometer schaffte ich dann tatsächlich auch in lediglich 45 Minuten und war an der Ausfahrt zum Campingplatz sogar so schnell, dass ich es nur mit großer Mühe schaffte, das Rad rechtzeitig in die Abzweigung zu steuern. Trotz aller Schikanen heute: diese Etappe war im Nachhinein mehr aufregend als anstrengend. Rein vom Fahren hat sie richtig Spaß gemacht. Vielleicht hat mir dieses an die körperlichen Grenzen gehen doch mehr gefehlt, als ich gedacht habe. Schlafen konnte ich jedenfalls richtig gut. Erst am nächsten Morgen bemerkte ich, an welch schönen Ort ich überhaupt mein Lager aufgeschlagen hatte…