Ich muss mich an dieser Stelle erst einmal bei den treuesten meiner Leser bedanken und natürlich entschuldigen. Ich weiß, dass es gemein ist, immer auf zukünftige Ereignisse zu verweisen und dann auf den nächsten Tag zu vertrösten. Aber dieser Abschnitt der Reise war wirklich so spannend, dass ich ihn nicht im 24 Stunden Format abbilden kann. Derzeit bin ich ja auf Urlaub in Sofia, und somit weiß ich auf wenigstens, dass ihr auch dann noch etwas zu lesen habt, wenn ich bereits lange wieder auf dem Rad sitze. 🙂
Wo waren wir also stehen geblieben? Ja richtig, der Naturcampingplatz…
Trotz der vielen Annehmlichkeiten in Serbien gibt es hier ein primäres Problem und das ist die Versorgung mit Trinkwasser. Natürlich bekommt man in jedem Laden welches, aber von öffentlichen Brunnen wie in Österreich, Tschechien oder Ungarn können die nördlich wohnenden Serben nur träumen. Trinkwasser aus dem Hahn gibt es hier nicht und es gibt auch keinen, der das empfehlen würde. So erging es mir leider auch auf dem Campingplatz etwas schlecht, denn ich hatte zwar mit einem recht einsam gelegenen Platz gerechnet, aber natürlich nicht daran gedacht, mich ausreichend mit Wasser zu bevorraten. In Novi Sad war ich noch im Besitz von knapp 2 Litern, aber die ziemlich anstrengende abschließenden Bergettape sowie Temperaturen von weiterhin 30 Grad ließen diesen Vorrat schnell schrumpfen. Zu allem Unglück lag der Campingplatz zwar wunderschön abgeschieden mitten in einem Naturschutzgebiet, aber der letzte Laden war gefühlte 15 Kilometer entfernt. Und noch einmal bergab und anschließend wieder hinauf, nein. Auf keinen Fall. Die Betreibern des Platzes konnte mir aber weiterhelfen. Als sie zum kassieren kam, verwies sie mich auf die Rezeption und sagte, dort wäre Wasser zu finden.
War es auch, und zwar in folgender Form:
An der Rezeption stand ihr Mann… dieser sprach ein paar Brocken Englisch und verstand, dass ich Wasser benötigte. Mitkommen! deutete er mir. Also gingen wir ein paar Meter zu einem kleinen Bach. Nee, Bachwasser wollte ich eigentlich nicht. Meinte der Mann auch nicht. Er erzählte mir aber, dass hier überall solche tollen Bergbäche fließen und ihm dieser Landstrich richtig gut gefällt. Wo er Recht hat, hat er Recht. Schön ist es hier wirklich, löst aber nicht mein Wasserproblem. Richtig – mitkommen! Der nächste Stopp war an einem dornigen Baum. Ja, das hatte ich unlängst mal gelesen. Es gibt Bäume, die einen beträchtlichen Wasservorrat beherbergen. Aber mit meinem Blick auf meine leere Wasserflasche gab ich ihm zu verstehen, dass ich nicht MacGyver bin. Er guckte mich verständnislos an, nein, das meine er nicht! Das wären die Bäume, aus denen der Dornenkranz Jesus gefertigt wurde. Hier in Serbien… nun gut. Davon habe ich keine Ahnung. Aber er zog schon wieder an mir. Plötzlich kamen wir an ein Haus, von dem man durchaus sagen darf, dass es eine Villa in allerbester (Moment Naturschutzgebiet?!?) Lage war. SEIN Haus wie er mir zu verstehen gab. Dann schloss er SEIN Auto auf und holte aus SEINER Weste SEINEN Haustürschlüssel. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er war der Parkranger hier und das war nicht sein Wohnhaus, sondern sein Hauptquartier. Er guckte mich mit einem Hab-ich-dir-doch-die-ganze-Zeit-gesagt Blick an und bat mich einzutreten.
Irritierend ist, dass zu seinem Outfit nicht nur eine grüne Weste und ein gar güldenes Abzeichen mit der Nummer 0021 gehörten, sondern auch gleich noch eine Handfeuerwaffe, um die Anliegen des Forstbeamten notfalls mit entsprechendem Nachdruck durchzusetzen. Aber der Kerl war eine Seele von Mensch und wies mich sogleich ein. Er hätte einen ganz wunderbaren Wein aus der, wie er es meinte Wein Universität. Ich müsse nur noch die Farbe auswählen. Okay, gestern bei Micha fantastischen schweizer-ungarischen Wein, heute eben Versuchskaninchen einer Wein-Universität… Nun ist es ja eigentlich auch egal.
Aber auch dieses Gebräu enttäuschte nicht. Der zweite Abend in Serbien und schon saß ich wieder bei einem wildfremden Menschen und soff. Dann kam seine Frau dazu und ich war mir sicher, der Spaß war jetzt vorbei. Was mir auch nicht unrecht gewesen wäre, noch einen weiteren Abend versacken, das ging nun wirklich nicht. Pustekuchen, sie schimpfte zwar mit dem Bewaffneten, aber nur, weil man ja schließlich nicht Wein säuft, ohne etwas von dieser leckere Pastete hier anzubieten. BANAUSE! So, und jetzt bekommt der nicht ganz frisch riechende Radfahrer zur Strafe auch noch einen Teil deiner Hühnersuppe. Das soll dir eine Lehre sein.- Quatsch, die hätte ich ihm eh angeboten.
Für mich eine gleichfalls etwas peinliche wie belustigende Situation. So gab es ein absolut köstliches unerwartetes Abendessen, herrlichen Wein und ein tolles, durch einen kleinen Schwipps genährtes dreisprachiges Gespräch, bei dem es für mich wieder viel zu lernen gab. Seine Frau, so erklärte mir der Ranger, ist nämlich gebürtige Kroatin, musste aber auf Grund ihrer christlich-orthodoxen Religionszugehörigkeit nach Serbien auswandern. Sehr spannend, der gleiche Gott, die gleiche Story und trotzdem null Akzeptanz. Da die beiden aber richtig gut zusammenpassten, war mir das sogar mal richtig Recht.
Wer hier die Hosen anhatte, war dennoch recht schnell klar. Denn mit Einbruch der Dämmerung befahl sie ihrem Mann zum Aufbruch. Der ließ es zwar langsam angehen, folgte aber. Nicht ohne mir jedoch noch ein kleines Fläschchen des Vinos abzufüllen, das mir ganz offensichtlich als Abendumtrunk dienen sollte. So zog ich angetrunken und wirklich gut genährt meines Weges, bis mich die Chefin plötzlich zurückpfiff. Aber nicht weil sie abkassieren wollte, ich Trottel hatte einfach den Grund meines Besuches vergessen… nämlich das Trinkwasser!
Aber meine leere Flasche behielt sie ein und drückte mir eine volle 10 Literflasche in die Hand. Diese sollte ich mit den anderen Campern teilen. Da ich aber das Wasser eigentlich zum Nudeln kochen wollte, gab ich meine gesamte Flasche administrativ an ein österreichisches Paar ab, die leider nicht in den Genuss dieser herrlichen Abendgesellschaft gekommen waren. Diese luden mich dafür auch gleich zu einem Rotwein ab und versüßten mir mit einem spannenden religionslastigen Philosophiegespräch die Hälfte der Nacht.
Ein weiterer wunderbarer Tag in Serbien, nur wenn ich nicht langsam aufpasse, ende ich hier als überfressener Alkoholiker…
Morgen geht es dann endlich weiter bis fast nach Belgrad, einer überraschenden Besuchsankündigung und davon, das so manche Straße doch nicht zum Radfahren geeignet scheint…