Tour de Balaton

Heute kann ich weder viel schreiben, noch großartige Bilder zeigen. Die Tour von Budapest an den Balaton verlief nämlich völlig unspektakulär. Man fährt hauptsächlich an einer viel befahrenen Straße entlang, die nur dadurch auffällt, dass sie alle paar Kilometer einen Radweg hat.

Wer die Tour in meine Richtung fährt, wird das verfluchen. Sobald nämlich der Radweg (grundsätzlich auf Seite der Richtung Budapest – also die Gegenfahrbahn) auftaucht, wird die Hauptstraße für Radfahrer gesperrt und man muss auf die andere Seite wechseln. Keine angenehme Angelegenheit, die Straße ist zwar sehr breit, aber eben auch stark befahren. Hat man also die 20 Autos aus der einen und die 15 Autos aus der Gegenrichtung abgewartet, heißt es im Sprint rüber auf die andere Seite. Hier geht der Weg dann oftmals nur 200 oder 300 Meter und endet dann häufig schlagartig an einer 15 cm hohen Bordsteinkante, die es von dir verlangt, abzusteigen und das Rad vorsichtig herunterzuheben. Dann wieder auf die andere Seite hechten und das gleiche Spiel nach ein paar Kilometern wiederholen. Irgendwann hat man aber einfach keine Lust mehr auf diese ständigen Seitenwechsel und beschließt sich – höchst illegal – nicht an der nächsten Radwegverarsche zu beteiligen.

Typisch-Ungarn-hier-Fährt-Zwar-Keine-Sau-Aber-Du-auch-Nicht

Der Ungar, ein grundsätzlich herzensguter und offenherziger Mensch, mutiert aber leider am Steuer zum Tier. Fährst du also trotz Radweg auf der Straße weiter, wird er nicht zögern und dich durch dichtes neben-dir-herfahren, kontinuierliches hupen und wilde, lautstarke Belehrungen durchs geöffnete Fenster auf deinen Fehler aufmerksam zu machen. Das Ende vom Lied ist dann, dass du irgendwie alles ignorierst und nur noch stumpf deine Tour durchziehst. Immerhin ist der Radweg wirklich gut ausgeschildert und hat mal tatsächlich nicht über jedes kleine Nest geführt. So kommt man bis auf die Radwegproblematik eigentlich gut voran, sieht aber natürlich nix von der Umwelt. Ab und an mal ein Dörfchen und sonst nur Kilometer, Kilometer, Kilometer.

Einzig vor Szekesfehevar wird es ein bisschen spannend. Hier weicht der Radweg nämlich von der Fernstraße ab und führt entlang eines kleinen Flüsschens sehr romantisch über weite Felder. Allerdings (und das weiß man ja oft nur nachher) ist dieser Radweg gesperrt. Große Betonbarrieren an beiden Enden mit ungarischer Beschriftung weisen auch darauf hin. Nur, erstens kann ich kein Ungarisch und zweitens sind die Barrieren so gestellt, dass man mit dem Rad gut durchkommt. Also bin ich diesen Weg natürlich trotzdem gefahren, weil ich vermutete, die Sperre gilt für Autos. Radelte sich auch ganz toll, bis ich an eine Autobahnunterführung kam.

Hier hatte das kleine Flüsschen nämlich beschlossen, mal so richtig auf dicke Hose zu machen und den Radweg fluchs zu seinem Hoheitsgebiet auserkoren. Das Schild an der Unterführung sagte allerdings, dass nur Fahrzeuge mit einer Maximalhöhe von 2 Metern durchfahren durften und da noch locker 1,8 Meter bis zu Brücke frei waren, bin ich also in meinen Mathewahn verfallen und hab ausgerechnet: 2 Meter Gesamthöhe – 1,8 Meter Luftraum = 20 cm Wasserhöhe. Das packe ich doch! Trotzdem ist Vorsicht besser als eine Sammlung von Scherben. Da ich mich auch nicht nackig machen wollte, habe ich mich auf die schräg zulaufenden Seiten des Brückenfundamentes gestellt und von dort aus das Rad langsam in das Wässerchen gerollt.

WAR EIN FEHLER!

Denn durch diese Unterführung passen locker Fahrzeuge mit 2,30 Meter Gesamthöhe. Ein halber Meter ist zwar nicht so dramatisch, aber damit wären die vorderen Packtaschen komplett unter Wasser und das geht nicht. Spritz- und Regenwasser ist kein Problem, aber komplettes abtauchen führt zum volllaufen. Da es aber weder vor noch zurückging, blieb mir nur die Möglichkeit, das Rad aus dem Wasser auf die Fundamentschräge zu hieven, langsam abzupacken und zu hoffen, dass jedes Mal wenn ich eine Packtasche wegbrachte, dass Rad nicht in den Fluten versinkt. Hier habe ich übrigens das erste Mal die Wucht erfahren, die Wasser haben kann. Denn die Strömung zog zuvor gewaltig am Rad. Und das hier, das war wirklich nur ein ganz kleiner Fluss. Wie tief das Wasser wirklich war, könnt ihr auf dem Foto erkennen.

Als ich jede einzelne Packtasche unter der Brücke hindurch ans andere Ende gebracht hatte, schob ich das Rad dann schlussendlich durch die Fluten. Diese ganze Aktion kostete mich fast eine Stunde, ich war aber heilfroh, das alles unbeschadet überstanden zu haben. So schnell wie diese merkwürdige Streckenführung gekommen war, war sie dann auch schon wieder vorbei. Nach einer sehr verwirrenden Radwegführung in Szekesfehevar war ich dann auch schon wieder auf der Fernstraße zurück. Ab hier bin ich dann fast ohne Pause bis zum Balaton geradelt.

Wobei… Eine Pause machte ich schon noch. Nämlich auf einer Brücke, die über die Autobahn führte. Hier waren wenigstens Geländer dran und so konnte ich das Rad vernünftig abstellen. Einem ungarischem Radfahrer kam das allerdings merkwürdig vor und so verwickelte er mich in ein tiefgründiges psychologisches Gespräch und forderte mich auf, doch seinen Weg Richtung Balaton ein Stück zu teilen. Nettes Angebot, aber erst wollte ich rauchen. Danach vielleicht… er ließ aber nicht locker und so wurde mir langsam etwas mulmig zu Mute, was er denn nur von mir wolle? Überfall, Mord, Ventilkappen klauen? Also schickte ich ihn schon etwas energischer seines Weges. Er guckte etwas zerknirscht, fragte noch einmal nach, ob wirklich alles in Ordnung sei und radelte dann weiter. Erst als ich wieder auf dem Rad saß, viel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Typ dachte, ich will auf die Autobahn hopsen! Ich muss dringend irgendwas an meinem Aussehen ändern, wenn mich schon jeder auf dem ersten Blick für selbstmordgefährdet hält…. Als ich ihn knapp 2 Kilometer später überholte, schien er ziemlich erleichtert und da ich seine wahren Beweggründe nun kannte, bedankte ich mich bei ihm und versicherte, dass wirklich alles in Butter ist. Er lächelte mich an und war zufrieden. So sind sie, die Ungarn, wenn sie nicht am Steuer eines Autos sitzen…

Der Balaton selbst ist tatsächlich nicht so mein Ding. Hier schlägt das Kroatienproblem richtig zu. Große Villen, sogar Hotels stehen zum Verkauf und an den Stellen, wo sich das Leben konzentriert, ist Halligalli. Eine Partymeile mit vielen Schlaglöchern. Für mich ein eher trauriger Anblick. Schade, dass der See so zugebaut ist und das mit Häusern, die nun niemand mehr benötigt.

Wer unter Euch allerdings auf Party bis zum Abwinken steht und ein kleines Budget hat, ist hier dennoch gut aufgehoben. Denn die verbliebenden Campingplätze, Hotels und Kneipen tun alles, um Kunden zu bekommen und auch zu behalten. Feierspaß kann man hier ganz sicher haben, aber dafür bin ich ja nicht unterwegs. Also suchte ich mir einen Campingplatz, checkte ein und baute mein Zelt an einer ruhigen Stelle auf. Als ich vom dringend notwendigen duschen wieder kam, staunte ich nicht schlecht, als ein weiterer Radwanderer neben mir Quartier bezogen hatte. Er stellte sich als Laurent vor, schon seit Frankreich auf dem Eurovelo 6 und wollte nach Italien.

Auch hier gab es wieder spannende Geschichten zum Nulltarif und mit ein bisschen Glück einen weiteren Blogleser. Es wurde spät und da ein heftiges Gewitter aufzog verabschiedeten wir uns und zumindest ich war glücklich. Trotz kleinerer Hindernisse, echt cool gelaufen der Tag und einen krönenden Abschluss hatte er mit dem Eintreffen Laurents auch noch. So, genau so, soll es jeden Tag laufen. 🙂

Gewitterempfang Balaton

Laurent musste übrigens ziemlich schmunzeln als ich ihm von meinem Flussabendteuer erzählte. Er stand vor dem gleichen Problem, ist aber einfach den kleinen ausgeschilderten Umweg gefahren… Tja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil – aber ich hatte was Spannendes zu erzählen.

Macht es gut, bis zum nächsten Mal, dann gibt es wieder Höhenmeter und einen wundervollen Campingplatz an einem Bergsee.