So liebe Freunde heute gehts mal wieder hauptsächlich ums Radfahren. Denn Esztergom ist ohne Frage Klasse, aber da Glenn bereits gestern Mittag wieder abgereist war und der Platz sich weiter leerte, war es auch für mich an der Zeit weiterzuziehen.
Heute wollte ich mich endlich die verbleibenden 84 Kilometer entlang der Donau durch eines der landschaftlich schönsten Gebiete Ungarns bis nach Budapest vorwagen. Und – so viel kann ich verraten- die Ungarn sind zu Recht stolz auf ihr Knie. Also ihr Donauknie. Berge, Schlösser und prachtvolle Städte so weit das Auge reicht. War mir heute aber nicht nach.
Ich genoss hauptsächlich die unwahrscheinliche Ruhe entlang des Flusses und den nur mäßig benutzen Radweg. So richtig wollte ich heute kein tiefgreifendes Gespräch, ich wollte einfach nur still vor mich hinzuckeln und meinen Gedanken nachhängen. So ist es mir auch das erste Mal passiert, dass ich ein norwegisches Reisepärchen trotz ihres Gesprächswillens hab stehen lassen. Dabei war mir der weibliche Teil durchaus sehr sympathisch, während ihr Freund nur so strotzte vor Alphatiergehabe. Also rasch an der Fähre ein paar Worte gewechselt, gemeinsam die Überfahrt durchgestanden und dann voll in die Pedale getreten. Ja, der Typ ging mir beim bloßen Hingucken schon auf die Nerven und der voll durchgestylte Partnerlook mit frisch polierten Highend-Rädern machte die Sache auch nicht besser. Außerdem gab es doch heute Budapest zu erfahren und da würde sich schon irgendein Redseliger finden lassen, sollte mir doch nach Quatschen sein.
Während man so durchs Knie radelt, mal links, mal rechts der Donau, aber immer wieder mit einer Fähre übersetzend, muss man sich manchmal ein paar beeindruckende Fakten durch den Kopf gehen lassen. Diese Gegend hier ist seit mindestens 2000 Jahren zivilisiert, denn schon die Römer sahen in der Donau ein mächtiges Bollwerk für ihr Reich. Seitdem hat es immer mal wieder den Besitzer oder besser Herrscher gewechselt, was zur Folge hatte, dass es hier a) nie so richtig idyllisch war und b) kaum eine zeitliche Struktur aufweisen kann. Denn jeder Herrscher hat der Gegend natürlich seinen eigenen Stempel aufgedrückt. Dennoch scheinen die Ungarn ihre Adligen zu vergöttern, was diverse Statuen in allen besuchten Städten beweisen. Also kann es ihnen unter der Fremdherrschaft eigentlichen nicht so schlecht gegangen sein, oder?
Während die Gegend immer schöner wurde, konnte man das vom Radweg leider nicht behaupten. So ca. 25 Kilometer vor Budapest wurde er eine ziemliche Buckelpiste. Komisch, ich dachte gerade für die End- oder Anfangsetappe einer der beliebtesten Reiseradtouren der Welt, lassen die Ungarn nochmal richtig einen gucken. Aber nix, der Radweg wurde zwar in Budapest wieder fahrbar, aber bis dahin war es ein echtes Martyrium. So schön es auch begonnen hatte, ab hier war es endgültig vorbei mit dem radfreundlichem Ungarn. Die Ausschilderung wurde spärlicher und schlechter und ständig verwirrten mich kreuzende Radwege. Nun bin ich schon in Großstädten leicht zu überfordern, musste also nix heißen. Jeder, der sich rein aufs Fahren konzentriert, wird vermutlich keine Probleme haben. Aber ich werde irgendwie ständig von allen möglichen Dingen abgelenkt. Lediglich beim Lesen und Schreiben kann ich komplett abschalten. So verschafft mir ein besonders buntes Auto auch schonmal einen besonders langen Umweg. Klingt komisch, ist aber so und man gewöhnt sich irgendwie an alles.
Die Einfahrt in Budapest war allerdings sehr spannend. Hier wechselt nämlich der Weg schlagartig von einer recht schlichten Gegend in eine Partymeile und plötzlich, eh man sich versieht, steht man in dieser großartigen Stadt. Ohne fließenden Übergänge ohne Ankündigung nur einfach bam, hier haste!
In Budapest selbst ist alles wie gehabt: drängeln, schieben, schubsen, alles dabei. Nichts für zurückhaltende Menschen wie mich. Die Touris ignorieren Fahrradfahrer weitestgehend und der radfahrende Ungar nimmt auch wenig Rücksicht auf sie. Passt schon. Da ich aber irgendwie ganz schnell Angst um Leib und Leben bekomme, werde ich ganz besonders vorsichtig und damit immer zum Hindernis.
Da ich noch nicht wusste, wo ich die Nacht verbringen sollte, suchte ich mir ein freies WLAN und schaute in meiner App nach Campingplätzen. Nur ein einziger war zu finden und der war auch noch im hügeligen Erd und 18 Kilometer entfernt. Hmm, wenn etwas schon Flamingocamping heißt, ist das doch ein Grund misstrauisch zu werden, oder? Aber es ging nicht anders. Alternativen gab es nicht und da ich bislang noch keinen Stadtplan besaß, ließ ich mich vom Tab dorthin navigieren. Die Navigation vom Tab ist ungefähr die Gleiche wie auf meinem zerstörten Telefon… kein guter Garant für eine lange Lebensdauer. Aber es klappte trotz einiger merkwürdiger Routenvorschläge recht gut und so schaffte ich es bis kurz nach 8 tatsächlich noch zum Flamingocamping…
Ein Wahnsinnsglück, wie ich feststellen durfte. Denn hier erwartete mich der beste Campingplatz auf meiner Reise. In Anbetracht, dass jetzt Serbien kommt, wird er diese Position wohl auch dauerhaft halten können. Leute, hier war es richtig geil! Eine supernette deutschsprachige Chefin, die mit ihrem Mann den Laden in Schuss hielt und aller Luxus, den sich ein Camper vorstellen kann. Pool, schöner Rasen, Strom und Wlan am Bett und: ein Restaurant, dass mir auch noch im daran denken das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.
Ich wurde sofort sehr herzlich aufgenommen und musste das Rad zur Seite stellen und wurde dann zum Essen gebeten. Da die letzten Kilometer auf dem Rad auch die anstrengendsten waren, war das die beste Idee, die man haben konnte und natürlich kam sie nicht von mir. Die Chefin brachte mir auch noch einen Zettel mit allen Busverbindungen von hier nach Budapest, Abfahrtszeiten, Liniennummern, so dass selbst ich mich nicht mal ansatzweise verlaufen könne! Sie hat offensichtlich sehr viel Lebenserfahrung und mir meine Desorientiertheit in Großstädten wohl an der Nasenspitze angesehen.
Alle taten alles, damit ich mich sofort wie zu Hause fühlen konnte und so leid es mir tut, Mutti, mit dem Essen kommen sie schon verdammt nah an dich heran.:)
Auch wenn ich gerade erst einmal einen Tag wieder zurück auf dem Rad war, hier wollte ich unbedingt einen Ruhetag einlegen um mir Budapest anzuschauen.
Dass die noch so sorgfältige Planung bei mir nichts bringt, davon will ich euch Morgen berichten.
Denn natürlich ging ich in Budapest verloren.