Obwohl die Etappe nicht so lang war, bin ich leider erst recht spät in Győr eingetroffen. Ich habe mir also am öffentlichen WiFi (zu finden in fast jedem Dorf) noch schnell einen passenden Campingplatz gesucht und mich dann das erste Mal vom Tablet dorthin navigieren lassen. Wie so oft, liegen die Gegensätze in Ungarn oftmals zwischen zwei Stadtteilen. Eben bist du noch ein einer liebevoll restaurierten Altstadt und im nächsten Moment sieht alles so aus, als ob die Uhr in den frühen 50igern stehen geblieben ist. Allerdings durchaus sehr charmant.
Die Altstädte sind auf Tourismus getrimmt, ohne Frage, aber sobald man den Fuß in die nicht so privilegierten Ecken setzt, ändert sich auch der Charme der Menschen. Im Zentrum sind sie freundlich zu dir, weil sie möchten, dass du bei ihnen isst, schläfst oder irgendwelchen Kram kaufst. Außerhalb sind sie freundlich zu dir, weil sie einfach ein kompromisslos freundliches Volk sind, die Ungarn.
Nach meiner letzten Nacht in Bratislava erreichte ich heute einen Campingplatz, der kontrastreicher nicht hätte sein können. Geführt von einem netten älteren Ehepaar, in einem wunderbaren Zustand und mit super sauberer Sanitäranlage, einem Pool und sogar einem kleinen Fischteich für angelnde Camper. Ein wahrer Luxuscampingplatz! Einziges Problem, ich war fast allein dort. Nun dachte ich mir nicht sehr viel dabei, lag er doch vielleicht wirklich etwas ab vom Schuss und somit genoss ich einfach die Ruhe und vielleicht auch ein bisschen die Einsamkeit fernab von Mäusen und unter dem Zaun wohnenden Menschen.
Am interessantesten fand ich jedoch das Gefühl, das bis zum letzten ungarischen Meter anhalten sollte: das unglaubliche Gefühl von absoluter Sicherheit.
Nach einer herzlichen Verabschiedung durch meine und von meinen Gastgebern verließ ich am nächsten Morgen Győr mit einem guten Gefühl im Bauch. Kräftiges verfahren inklusive. So musste ich abweichend vom Donauradweg einer ziemlich verkehrsreichen Straße folgen, um nach knapp 20 Kilometern wieder auf den ursprünglichen Radweg zurückzukommen. Bei einer kurzen Pause etwas abseits der Straße konnte ich das erste Mal eine nicht so schöne Seite Ungarns kennenlernen. So werfen scheinbar viele Menschen ihren Müll gern in die herrliche Landschaft. Eine saublöde Unart, wenn ihr mich fragt. Der Rest der Tour verlief dann fast unspektakulär. Mein Reiseradgeber schlug mir vor, noch schnell am Nationalgestüt in Báblona vorbeizufahren und das machte ich dann auch.

Ein wunderschöner Ort, auch wenn hier ebenfalls nicht sehr viel los war. Einige Reiseradler, die scheinbar ebenfalls dem Ra(d)tgeber gefolgt waren, aber sonst war es menschenleer. Das war das erste Mal, dass ich mich fragte, warum Ungarn von den Touris scheinbar so vernachlässigt wird? Es sollte bis nach Budapest, wo ich des Rätsels Lösung fand, nicht das letzte Mal sein. Denn auch in Komárom, einen tollem Festungsstädtchen direkt an der Donau, war die vorherrschende Stimmung eher gedrückt und nur sehr wenige Menschen waren auf den Straßen zu sehen. Und das trotz des wundervollen Wetters und dem direkt bevorstehenden Wochenende.
Ein wenig außerhalb Komároms fand ich einen Campingplatz und war das erste Mal seit Beginn der Reise mit dem Zeltaufbau vor 18:00 Uhr fertig. Ein See, ein großes Schwimmbad, Wifi und Strom ohne Ende. Alles da was das Herz begehrte, nur eben wenig andere Camper. Also platzierte ich mich so, dass ich auf eine größere Ansammlung Zelte mit einem Pavillon in der Mitte sehen konnte, das versprach wenigstens ein bisschen menschliche Nähe. Das ich natürlich wieder ein etwas unglückliches Händchen mit meiner Platzwahl hatte, brauche ich nicht zu erwähnen. Denn diese Zeltburg erwies sich als ungarische Hochzeit, die jetzt erst richtig in Fahrt kommen sollte. Inklusive eigenem DJ und scheinbar unerschöpflichen Mengen von Alkohol. So vergingen auch kaum 20 Minuten, bis ein etwas dicklicher Ungar auf mich zugestiefelt kam und mich fragte, ob es ein Problem für mich sei, wenn sie dort drüben ihre Hochzeit feiern. Nee! Natürlich nicht. Was konnten sie dafür, dass ich mir auf einem 10 ha großen Areal ausgerechnet den Platz aussuche, der von der Hochzeitsgesellschaft belegt war. Außerdem versprach das schon spannend zu werden.
Diese Aussage brachte mir eine herzliche Umarmung ein und somit konnte mich selbst ein deutscher Radler, der mit seiner gesamten Familie auf dem Weg von Passau nach Budapest war, nicht umstimmen meinen Platz zu wechseln. Das musste ich sehen!!! Und so viel ist klar, auch wenn ich mich nicht heimlich dazu gemogelt habe, feiern können sie, die Ungarn.
Der DJ wurde erst um halb vier müde, lange nachdem die meisten Gäste bereits volltrunken in ihren Zelten verschwunden waren. Und bis dahin war es eine interessante Abwechslung aus Musik, scheinbar sehr lustigen Spielen und auch sehr emotional anmutenden Gesängen. Irgendwie eine Mischung aus traditionellen Bräuchen und moderner Unterhaltung. Vielleicht sollte ich irgendwann in der Zukunft mal einen Ungarischkurs belegen. Wäre hier nicht die wirklich problematische Sprachbarriere gewesen, ich hätte mich gern auf ein Bier dazugesetzt. So musste ich leider in der Rolle des stillen Beobachters verweilen… aber war auch so schon schön. 🙂
Übrigens gab es keine Einschlafprobleme. Ab halb 12 drosselten sie die Anlage und drehten nur noch bei besonderen ungarischen Schlagern richtig auf. Die hab ich aber meistens verpennt.