Jo mei, so sans halt… die Ösis!
In Wien war ich bereits im letzten Jahr einmal. Allerdings ist es ein großer Unterschied, ob man mit einem Flugzeug dorthin chauffiert und anschließend mit einem tollen persönlichen Stadtführer durch die Metropole geleitet wird oder ob man nach 1200 Kilometer mit eigener Muskelkraft dort einfährt. Wer Wien noch nicht kennt, sollte sich einmal überlegen, ob er nicht vielleicht in den nächsten Jahren mal ein verlängertes Wochenende dafür einplanen möchte. Wien ist großartig. Es bietet neben seiner wunderschönen (und wie ich im letzten Jahr erfahren durfte, auch geheimnisvollen) Altstadt auch viele urige Bars und Einkaufsmöglichkeiten, so dass man sich fragt warum der Wiener bei diesem Angebot an Kultur, Unterhaltung und Shopping überhaupt seine Stadt verlässt? Außer vielleicht zum Radfahren. Wie es mir bei den Tschechen bereits aufgefallen ist, scheint der Österreicher auch ständig in Bewegung zu sein. Der Weg nach Wien war bis auf ein paar lustige Erlebnisse wenig spektakulär.


So wird im Nordosten Österreichs hauptsächlich Landwirtschaft betrieben. Überall sprießen Sonnenblumen, Rüben, Mais, Mähdrescher und Traktoren aus dem Boden. Eine wahre Pracht. Traktoren scheinen im Übrigen das Lieblingsfortbewegungsmittel der Niederösterreicher zu sein. Ich verbrachte echt viel Zeit damit, mir zu überlegen, dass die Großindustrie doch eine richtig gut laufende Branche sein muss. So viele Landmaschinen wie die Österreicher (und vor allem in welchem bemerkenswert guten oder nagelneuem Zustand) besitzen, empfehle ich, dass sie im nächsten Kriegsfall damit antreten sollten. Sozusagen der totale Mähdrescherkrieg! Wollt ihr die totale Ernte? Dafür wäre der Niederösterreicher sicher zu haben. Aber eines kann man ihnen nun absolut nicht abreden: Sie sind unglaublich herzlich und, anders als ich es erwartet hätte, richtig offen. Lässt man sich auf das Wagnis einer Unterhaltung ein, wird man (wie bereits erwähnt) zwar in einer sonderbaren Sprache, aber fast in jedem Fall mit einem tollen Gespräch belohnt. Ich durfte mehrfach die Fragen nach meinem Weg und Ziel beantworten und erntete dabei meist die gleichen ungläubigen Blicke wie zuvor in Deutschland und Tschechien.
Nur an einer Kleinigkeit sollten sie noch feilen die Ösis, an ihrer ziemlich komischen Art Tipps zu geben. So erwischte mich in einem kleinen Dorf ein alter Mann beim Supermarktwürstchen futtern, versteckt in einer Ecke und riet mir, dieses unbedingt mit einer Semmel zu vertilgen! So schmeckens halt besser. Leute, ich hab echt nicht verstanden, was er mir damit sagen wollte. Ich sagte ihm also, dass ich des österreichischen Dialekts nicht wirklich mächtig bin und bat ihn, es zu wiederholen. Damit verlangsamte er zwar die Geschwindigkeit der Aussprache, nicht ohne vorher die Lautstärke erheblich zu erhöhen, aber der Wortlaut blieb exakt der Gleiche. Von ca. 30 Wörtern konnte ich wirklich nur „mit Semmel“ und „besser“ herausfiltern. Als ich dann die Augenbrauen verstehend anhob und ihn fragte „mit Brötchen sind sie besser?“ grunzte er nur zufrieden und zog seines Weges. Wieder einen Sprachblödi bekehrt. So startet der Tag doch gut, wo steht’s jetzt mei Trecker?
In einer kleinen Stadt ca. 25 Kilometer vor Wien fragte ich eine Einheimische nach dem schnellsten Weg in die Stadt. Ich hatte mich wiedermal hoffnungslos verfahren. Die dann kommende Antwort machte selbst mich sprachlos. Sie zeigte die Straße runter auf ein großes Gebäude und sagte völlig alternativlos und keinesfalls eine Widerrede hinnehmend: Joar mit da Bahn! Nicht wirklich hilfreich aber in jedem Fall sehr amüsant. Da ich die letzten drei Stunden genau an jener Strecke entlang gefahren bin, erschien mir das sogar verlockend. Aber nein! Ich wollte ja aus eigener Kraft dorthin kommen. Aber zumindest so hilfreich war die Info, dass ich nun wusste, die Bahn fährt bis nach Wien. Da kann ich ihr also auch weiterfolgen. (vielleicht meinte sie das sogar und ich hab es bloß in meinen Starrsinn nicht kapiert…)
Und wirklich, nach wenigen Kilometern folgte ein Schild, das auf den Donauradweg verwies. Das war mehr als die halbe Miete! Denn so viel wusste ich, hast du erst einmal den Donauradweg gefunden, stehen die Chancen nach Wien zu kommen, bei nahezu 50 Prozent. Und richtig, einmal an der Donau lief alles wie geschmiert. Ein breiter Asphaltweg mit vielen Schildern, die auch noch großzügig beschriftet waren. Ein Verfahren schien hier fast unmöglich. So viel vorab, warum die Wiener den Landstrich zwischen der neuen und der alten Donau als Insel bezeichnen und ihr nicht lieber das eigene Stadtrecht verleihen, ist mir rätselhaft. Das Ding ist riesig. Und auf ihr führen an den meisten Stellen nicht ein oder zwei, sondern ganze drei Radwege den geneigten Radler oder Jogger über die Insel.
Nun hatte ich mich bei meinen knallharten Recherchen am Samstag in die Thematik „Campen in Wien“ eingearbeitet. Und bin dabei auf mindestens 4 Campingplätze gestoßen. Unter anderem bildete ich mir sogar ein, von einem Platz direkt auf der Insel gelesen zu haben. Diesen Irrtum konnte ich leider erst nach 2 Stunden herumirren auf dem Atoll korrigieren. Nein, es gibt ihn nicht, diesen sagenhaften Atlantiscampingplatz. Die Bezeichnung lautet vielmehr „direkt an der Insel“. Das bringt mich zu zwei lebenswichtigen Erkenntnissen: Wer lesen kann ist klar im Vorteil und, wer fragt, dem wird auch geholfen. Ein freundliches Pärchen machte mich auf meinen Fauxpas aufmerksam und beschrieb mir den Weg supergenau. Auf diese Spießertour ging es natürlich viel schneller. 🙂
Der Campingplatz an der neuen Donau ist ein wahres Eldorado für neugierige Typen wie mich. Radler aus der ganzen Welt scheinen sich hier zu versammeln und von hieraus ihre Tour entlang der Donau zu planen. Meist geht es von Wien aus in Richtung Deutschland, aber ein paar Wenige fahren, so wie ich, auch in die andere Richtung. In Budapest ist für die Meisten dann allerdings dann Feierabend. Ich hingegen werde der Donau noch mindestens bis nach Belgrad folgen.