Auf nach Österreich
Manchmal dauert es eben ein bisschen länger, bis man am Ziel angekommen ist.
So erging es mir am Sonntag. Ich hatte den Ruhetag in Helvin rumgebracht und war nun wieder startklar für meine nächste Etappe nach Wien. Der Wegweiser am Radweg hatte am Vortag versprochen: 65 Kilometer. Allerdings musste ich, um ins Hotel zu kommen, einen kleinen Abstecher vom Eurovelo 9 (EV9) nehmen. Dieser Abstecher hieß Greenway und war mir auf der letzten Etappe eine tolle Hilfe. Verlief er doch fast eben seit Brünn und der Straßenzustand war größtenteils hervorragend. Ab Helvin aber nahm er einen anderen Verlauf. Nun zeigte es sich mal wieder, dass man ohne Karte doch so ziemlich aufgeschmissen ist. Denn obwohl der Greenway die direkte Verbindung zwischen Prag und Wien ist, ist er alles andere als „direkt“. Und so fuhr ich erst einmal knapp 50 Kilometer in die falsche Richtung, bevor mir auffiel, dass das so nicht ganz sein konnte. Man muss mal schließlich in Österreich ankommen, wenn man sich schon die ganze Zeit entlang der Grenze durch die Wälder kämpft. Ebenfalls war der Pfad zwar sehr „green“, aber keinesfalls als „way“ zu bezeichnen. Auch hier waren die Mountainbiker wieder klar im Vorteil. Was den Spaß angeht und vor allem was das Vorwärtskommen anbelangt.
Es war eine super schöne Landschaft umgeben von tollen Tälern, Flüssen und… Bergen. Anstiege, die das Fahren unmöglich machten und Abfahrten, die es lebensgefährlich erschienen ließen. Und das alles bei schwülwarmen 37 Grad im Schatten. Nach über 3,5 Stunden war ich dem dann überdrüssig. Ich warf einen Blick in die Karte und stellte fest, dass aus den 65 Kilometern inzwischen über 100 bis nach Wien geworden waren. Verrückt! Wieso passiertE mir das nach zwei Wochen immer noch? Und warum bekomme ich es einfach immer noch nicht in die Birne, auch mal ein Stück zurückzufahren? Immerhin war der EV9 doch nur ein paar Kilometer entfernt. Es wäre ein Leichtes gewesen ihn wieder zu erreichen. Der führt wirklich „direkt“ nach Wien! An meiner Bereitschaft umzudrehen muss ich dringend arbeiten. Auch wenn Rückwege immer blöd sind, weil man ja da schon überall einmal war, machen sie offenbar manchmal Sinn. Vielleicht ist das auch was fürs Leben… ein Schritt zurück muss nicht zwangsläufig eine Verschlechterung der Lage darstellen. Manchmal ist es ein Ausweg aus einer Sackgasse.
Ich bin dann also ins nächste tschechische Städtchen geradelt, hab mich da neu orientiert und konnte direkt über die tschechisch/österreichische Grenze in Kleinhaugsdorf gefahren. Ab hier wurde schlagartig alles viel besser. Man kann wieder die Schilder lesen, findet ohne große Anstrengungen einen Geldautomaten und Campingplätze gibt es hier wie Sand am Meer. Und zu guter Letzt: die Menschen sprechen so etwas ähnliches wie Deutsch. (Mal im Ernst: Sie benutzen zwar unsere Wörter zum Schreiben, verunglimpfen sie dann aber völlig beim Sprechen. Aber so ist das, einen Haken hat die Sache immer. Wer in einer so wundervollen Landschaft wie Niederösterreich lebt, muss wohl mit dem Problem der deutschen Aussprache leben. Man kann eben nicht alles haben. 😛 )
Ich fand einen wundervollen kleinen Campingplatz in Mitterretzbach und bekam sogar noch eine tolle Unterhaltung obendrauf. Denn neben mir zeltete eine Kanadierin, die seit 16 Jahren Campingurlaub in Tschechien, Österreich und der Slowakei macht. Sie hatte natürlich einiges zu erzählen und da die Chefin des Platzes nicht anwesend war, wies mich die Kanadierin hervorragend ein. Hier kannst du campen, die Duschen sind dort und dahinten gibt es eine Küche. Ob sie wohl Provision bekommt? Ich habe es nicht erfahren. Denn am nächsten Morgen klemmte nur ein Zettel der Besitzerin an meinem Rad, auf dem sie mich bat, wenn ich heute abfahren sollte, die ausstehende Rechnung von gerade einmal 8 € zu bezahlen. Wie herrlich unkompliziert. Ich verabschiedete mich von meiner anderen Zeltnachbarin und einem netten Ehepaar, was sich am Morgen auch noch vorgestellt hatte, und startete mit guter Laune in die Etappe, die mich nun wirklich bis nach Wien bringen sollte.