Vorwort

Um mich selbst zu verstehen, muss ich versuchen zuerst die Welt zu verstehen… glaub ich jedenfalls.

Irgendwie ist es schade, dass ich nicht in New York oder Los Angeles lebe. Wann immer man Reportagen von dort sieht, sieht man auch mindestens einen Weltuntergangspropheten. Das wäre auch ein Job für mich. Einfach ein Schild umgeschnallt, irgendwo an eine belebte Stelle mit viel Publikum gestellt und munter die Apokalypse verkündet. Die kommt nämlich morgen und wenn nicht, komme ich halt wieder.

Leider wohne ich derzeit in Wildenbruch, was ein relativ kleiner Ort in der Nähe von Potsdam ist, was wiederum so etwas wie eine Berliner Vorstadt ist. Namhafte Manager, Schauspieler und „Wer wird Millionär“-Moderatoren haben sich hier niedergelassen, weil es einerseits über eine super Infrastruktur verfügt (immerhin liegen fast 2,5 Flughäfen in der Nähe) und andererseits genug Möglichkeiten zur Einflussnahme abseits der harten Karrierearbeit bietet.
Wie dem auch sei, sich ein Schild umzuschnallen und sich auf den Dorfplatz zu stellen, macht in meinen Augen relativ wenig Sinn, es mangelt einfach an qualifiziertem Publikum.

Da ich aber trotzdem daran glaube, dass diese Welt oder vielmehr diese Gesellschaft gerade ziemlich vor die Hunde geht, muss ich mir also eine andere Möglichkeit suchen, um zu prophezeien. Da aber jede Theorie grundsätzlich von den Berufsskeptikern bezweifelt wird, muss ich diese wohl dummerweise auch noch beweisen. Die beste Möglichkeit wäre in den Körper von Joseph Ackermann, Angela Merkel oder Thilo Sarrazin zu schlüpfen, mir das alles eine Weile anzugucken und dann einfach petzen, was ich so den ganzen Tag mache. Allerdings weiß ich zumindest von Frau Merkel, dass sie ihren Körper relativ ungern verleiht (wohl aus Angst, dass da jemand petzen könnte) und auch bei meinen beiden anderen Probanden hab ich so meine Zweifel. Somit ist die schnellste Möglichkeit wohl gestrichen. Dann gäbe es vielleicht noch die Chance, mich in eine Chefetage eines renommierten Unternehmens hochzuarbeiten und dann vielleicht die Missstände bei meinen Kollegen aufzudecken. Dauert allerdings ein bisschen und ich glaube, ich habe weder die Ausdauer, noch die Kaltschnäuzigkeit und leider auch nicht die benötigte Intelligenz (furchtbares Wort, danke Rechtschreibprüfung) dafür. Geht also auch nicht. Bleibt also alles doch nur graue Theorie, weil es mir an persönlichen Eigenschaften zum beweisen fehlt? Eine zugegeben ziemlich bekloppte Möglichkeit sehe ich dann doch noch. Und zwar in dem ich ein paar Fäden verspinne – hier liegt die Betonung tatsächlich auf spinnen.

Vor circa einem Jahr habe ich auf meiner Terrasse in meiner frisch sanierten Plattenbauwohnung gesessen und mit einer Freundin via Facebook kommuniziert. Dabei habe ich ihr freudig mitgeteilt, dass ich am Abend vorher in der Straßenbahn zu der Erkenntnis gekommen bin, dass ich eigentlich gar nichts kann. Sie hat es aber weniger freudig aufgefasst und versucht, mich zum Weiterleben zu ermuntern. Dabei war ich doch nur von dem befreiten Gefühl überwältigt, und ganz und gar nicht depressiv.  Ich habe den Gedanken dann weitergesponnen und bin auf folgende Frage gestoßen, die sich sicher viele schon einmal gestellt haben:

Wie wäre es, jetzt noch einmal irgendwas zwischen 15 und 18 Jahren zu sein und mit dem Wissen von heute, aber ohne die heutigen Verpflichtungen noch einmal komplett neu anzufangen? Zum Glück manifestieren sich solche verrückten Gedanken in den wenigsten von uns und somit war es nach einmal darüber schlafen auch schon wieder vergessen. Vielleicht könnte mir diese Idee aber beim Beweis meiner Gesellschafts-Untergangs-Theorie behilflich sein? Da ich mich indirekt schon zum Propheten ausgerufen habe, verfüge ich in meinen Augen auch über die entsprechende Wahnsinnsqualifikation um folgende Idee niederzuschreiben:

Warum sollte ich nicht das Angenehme mit dem Angenehmen und dem Angenehmen verbinden?

Das Angenehme 1: Ich bin ziemlich neugierig. Was für den einen nach einem guten Zuhörer aussieht, für den anderen nach einen miesen Stasispitzel, ist für mich ein Teil meiner Lebensphilosophie. Ich weiß, dass mein eigenes Leben ziemlich unbedeutend ist, und dass nach diesem auch wohl eher wenig kommen wird. Aber ich kenne Menschen, die haben so gute Geschichten zu erzählen, dass es eine Schande wäre, sie nicht aufzuschreiben. Ich werde also auf den folgenden Seiten immer mal wieder die eine oder andere Geschichte von meiner Meinung nach zu wenig beachteten Normalos einfließen lassen.
Jedenfalls bin ich so neugierig, dass mir eine großartige Journalistenlaufbahn vorbestimmt war – wenn ich bloß nicht so Scheiße in der Schule gewesen wäre. Tja, selber schuld. Das alles hatte ich ja selbst in der Hand und nun lässt sich das ni… Moment, wie war der Plan? Okay, komme ich später drauf zurück.

Das Angenehme 2: Ich fahre echt gern Fahrrad. Hört sich nicht so wichtig an, muss aber an der Stelle mal erwähnt werden. Vielleicht komme ich da auch noch drauf zurück.

Das Angenehme 3: Ist eigentlich eher peinlich als angenehm. Lässt sich aber angenehmerweise relativ angenehm ändern. So richtig weg war ich noch nie. Also einmal mit der Schulklasse in Rimini, dann 15 Jahre später noch einmal ein verlängertes Wochenende wegen eines Herzleidens in Portugal und dann wieder 2 Jahre später mit dem Portugalgrund für 8 Tage in Irland. Kurz und knapp: So richtig was von der Welt hab ich noch nicht gesehen. Könnte man also auch mal machen.

(Der aufmerksame Leser wird sich jetzt vielleicht fragen, was aus meinem Herzleiden geworden ist? Hierzu möchte ich noch einmal auf meine Straßenbahnerkenntnis verweisen.)

Also was machen wir jetzt aus dem ganzen Angenehmen? Ein Superduperangenehmpaket! Und das alles, um eine Theorie zu beweisen. Wie geil ist das denn? Somit heiße ich Sie, geneigter Leser,

– Herzlich Willkommen zur naivsten Europa-Radreise der Welt –

Um das ganz ein bisschen unförmlich zu halten und meinen jugendlichen Trotz zum Ausdruck zu bringen, werde ich Sie ab jetzt duzen!

Jetzt also zum Plan:
Die Ausgangsituation ist folgende: Wir sind 15 Jahre alt, haben ziemlich viel Blödsinn im Kopf und das statistische Halbwissen von nicht weniger als „Allem“. Cool! Wir hatten zwar rein rechnerisch noch nie Sex, sind aber problemlos in der Lage Kinder aufzuziehen und nötigenfalls mit Hilfe von Google und Wikipedia diese auch am offenen Herzen zu operieren – am Strand der Normandie und unter feindlichem Beschuss wohlgemerkt. Wir haben ein Fahrrad, ein paar Klamotten zum wechseln, viel Wasser und ein Zelt. Das ist so ungefähr das, was ein handelsüblicher 15-Jähriger auch alles haben könnte. Aber vor allem haben wir eines: große Pläne und Visionen, um die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern. Zusätzlich glauben wir an nichts, was wir nicht selbst schon einmal kaputt gemacht haben.
Da wir aber nur ein Fahrrad besitzen, müssen wir uns von ein bisschen Ballast trennen. Das Wissen über die klauenden und mordenden Osteuropäer, sowie das um die faulen und gierigen Südeuropäer müssen wir leider hier lassen. Weil a) gibt es bei uns nichts zu klauen und b) interessiert uns Politik kein bisschen. Also ab in den Karton mit den ganzen restlichen überflüssigem Besitztum und bei Mutti auf dem Stallboden geparkt. Was sollen wir Mark Twains Zitat „Reisen ist schlecht gegen Vorurteile“ auch erneut lernen? (Das gehört übrigens zu dem Mitdreißigerwissen, welches gern mit darf.)