Ruhetag Budapest

So lass ich mal die Bilder für sich sprechen.

Diejenigen unter euch, die von meiner neusten Verwirrungsattacke lesen wollen, bekommen natürlich, was ich gestern versprochen habe. Und als Dreingabe meine Erkenntnis, warum Ungarn trotz seiner atemberaubenden Schönheit als Urlaubsland vernachlässigt wird.

Da ich nun einen Tag länger hier bleiben sollte, bot es sich an, auch mal die Klamotten zu waschen. Da es beim Flamingocamping an nichts mangelte, durfte ich sogar die Waschmaschine benutzen. Während mir die Hausherrin das Waschmittel anmischte, konnte ich von ihr ein paar Backgroundinfos ernten. Der Hauptgrund, warum viele Plätze in Ungarn so verwaist sind: auch hier hat die Geiz ist geil Philosophie zugeschlagen. Lieber drängeln sich die Menschen an den kroatischen Stränden, als Entspannungsurlaub in Ungarn zu machen. Klar, Ungarn ist nicht ganz billig, aber das Preisniveau ist trotzdem unter dem unsrigen. Es fällt mir heute noch schwer, mit großen Beträgen umzugehen. Der kleinste Geldschein hat einen Wert von ca. 1,75 € und somit schleppt man immer einen Haufen Papier mit sich herum. 20.000 HUF sind so etwas über 50 €. Wenn du das in Tausendern hast, ist das schon ein ganz schöner Batzen.
So hat man auch immer ein komisches Gefühl, wenn man im Supermarkt einkaufen geht. Da ist man schnell mal 1.000 Forint los, denkt es ist viel, und in Wahrheit sind es dann nur 3,30 €. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen.
Jedenfalls bleiben die Touristen aus, weil auch bei ihnen das Geld nicht mehr so locker sitzt und sie doch lieber Billigurlaub mit Meerblick machen. Klar, dass die Dame niemals den Touristen die Schuld geben würde, aber vielleicht hat sie Recht, wenn sie sagt, dass auf politischer Seite mehr für den Tourismus getan werden sollte. Denn tatsächlich passt hier – bis auf die Radwege – wirklich fast alles.

Eine super Infrastruktur, tolle Städte, wunderbare Seen und: die herzlichsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Um das zu beweisen, hab ich auch unbewusst noch einen Feldversuch gestartet: Meine Beherbergerin riss mir praktisch meine Wäsche aus der Hand und sagte, wenn ich noch etwas von Budapest sehen wollte, müsste ich jetzt los. Sie kümmere sich um den Rest. Also schnappte ich mir minimale Ausrüstung, den von ihr gerschriebenen Anti-Idiotenzettel und ab zum Bus. Für die Ossis unter euch: Ich bin mal wieder Ikarus gefahren, wie geil ist das denn? Ich zeigte dem Fahrer einfach den Zettel mit den Umsteigestationen, er tippte kurz auf seinem Automaten herum, sagte 310 Forint und ab ging die wilde Fahrt.

An einem der vielen Budapester Bahnhöfe angekommen, zog ich ein 24-Stunden-Budapest-Ticket und konnte mich ab dann frei in der Stadt bewegen. Also erstmal zur Donau. Dort hatte ich gestern schon so viel Pracht gesehen, das wollte ich mir in Ruhe anschauen.

In Budapest selbst ist es ziemlich angenehm. Die Ungarn achten sehr auf das Auftreten ihrer Hauptstadt und so mangelt es an wenig, aufdringliche Werbung wird man kaum finden. Kein großes gelbes M, keine überdimensionierten Hotelreklamen, alles schön dezent. Zumindest, was die Fußgängerzonen angeht. Bei den Preisen muss man sich allerdings auf typische Touriabzocke gefasst machen. Klar, die Mieten in der Stadt werden horrend sein, aber eine Gulaschsuppe für umgerechnet 10 € fand ich dann doch schon etwas happig. Nee, dachte ich mir, da isst du lieber nachher auf dem Campingplatz. Da schmeckt es super und die drei können mein Geld besser gebrauchen. Also tigerte ich noch ein bisschen durch die Stadt, besorgte mir in einem Bäcker frisch gebackene belegte Brötchen und Kaffee zu landesüblichen Preisen und war so lange zufrieden, bis es dann an die Rückfahrt ging.

Jetzt wäre ich kaum ich, wenn da alles glatt gegangen wäre. Denn der Zettel, den mir meine Ersatzmutti so toll geschrieben hat, war plötzlich nicht mehr da. Diesmal aber keine Panik, wusste ich doch zumindest noch die Nummer der Tram, mit der ich in die Innenstadt gekommen war und fand so wenigstens wieder an den Bahnhof zurück, von dem aus die Busse nach Erd fuhren. Allerdings hatte ich bis auf meinen Hinfahrtsschein keinen Hinweis darauf, welche Station das genau war, geschweige denn, welche von den unglaublich vielen Überlandbuslinien überhaupt dorthin fuhr. Aber hier schlug wieder einmal mein unglaubliches Glück zu. Als ich gerade mit der Schalterbeamten am diskutieren war, welcher Bus mich nun zurück zu meinem Domizil bringen könnte und sie mich einfach nicht verstand, tippte mir ein junger Mann von Nebenschalter auf die Schultern. Bist du Deutscher? Woher wissen die das immer? Er stellte sich als Gergely vor und entschuldigte sich überflüssiger Weise gleich für sein fast perfektes Deutsch.

Wo möchtest Du hin? Ach, die Station, da fahre ich jetzt auch hin, ich nehme dich mit. Keine Panik, wir haben noch 5 Minuten. Sehr geil! Im Bus stellte er sich dann richtig vor und er hatte eine spannende Geschichte zu erzählen: Er war ungarischer Pressefotograf, wirkte an vielen großen Kampagnen mit und konnte viele Erfahrungen bei seiner zum Teil in Deutschland lebenden Familie sammeln. So war er auch wesentlich besser in der Lage, die wirklichen Unterschiede zwischen Deutschland und Ungarn zu erklären. Er hatte unglaublich viel Hintergrundwissen zu Land und Leuten und war sehr aufgeschlossen gegenüber meiner Tour. Ein fantastischer Kerl, der ein riesen Herz hatte und mich nach einer viel zu kurzen Busfahrt praktisch bei meiner Campingplatzchefin abgab. Absolut wunderbar…

Auch dieser Tag war wieder so rappelvoll mit neuen Erfahrungen, dass ich mich nach nur 10 oder 11 Bieren erschöpft in meinen Schlafsack zurückzog. Nein, nur Spaß. Es gab nur noch 2 Bier und die in einem langen Abstand. Hatte ich doch noch ein paar Berichte zu schreiben und die Karten für die kommenden Tage zu wälzen. Morgen sollte es nämlich weiter an den Balaton gehen. Nicht, dass mich Feiertouristenziele wirklich interessieren würden, aber wenn man schon mal in Ungarn ist, sollte man sich den wohl auch einmal anschauen. Davon aber beim nächsten Mal mehr…

Eine kurze Anmerkung noch. Manchmal schreibe ich über diese wundervollen Menschen und gehe dann nicht weiter ins Detail, was ziemlich gemein ist, denn runden diese Details das Bild über sie erst richtig ab. Aber die meisten Menschen sind sehr offen und ich bin mir absolut nicht sicher, ob wirklich alles, was sie erzählen, auch hierher gehört. Sind es doch oftmals sehr persönliche Gespräche, die zwar unglaublich interessant sind, aber vieles gehört für mein Empfinden nicht in die Welt hinaus posaunt.
Wer den einen oder anderen hier spannend findet, kann mich gern persönlich bei meiner Rückkehr darauf ansprechen. Dann kann ich ausführlich erklären, was diese Menschen so besonders macht. 🙂